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Gevatter

Gevatter

Hier lese ich den Text "Gevatter" vor.

Gevatter

Du haust mich um wie ein Wirbelsturm
Du hauchst mir neues Leben ein wie ein Zündfunke
Meine Tränen rinnen herab wie Sturzbäche
Traurigkeit und Verzweiflung bahnen sich ihren Weg
über mein Gesicht
Ich trauere um eine Freundin
und weiß kaum, wohin mit meinen Gefühlen
Der Schmerz zerreißt mich förmlich
Früher nannte man Dich Gevatter,
behandelte Dich wie einen Bruder,
heute bist Du ein Fremder,
niemand kennt Dich mehr,
niemand heißt Dich mehr willkommen,
alle machen einen weiten Bogen um Dich
und hoffen, Dir zu entkommen
Doch Du bist da, bist einfach immer da
Ohne Dich gibt es kein neues Leben,
keinen neuen Anfang
Es gibt Kulturen, da begrüßen Dich die Menschen,
heißen Dich willkommen
Da darfst Du sein
Heute bin ich Dir begegnet,
und es tat weh, verdammt weh,
hast eine gute Freundin mitgenommen,
nach all den Jahren,
die sie um ihr Leben gekämpft hat
Hast sie nicht losgelassen –
und einfach mitgenommen,
ohne zu fragen.
Und ich saß da und habe geweint
Der Schmerz, der Verlust,
all die Erinnerungen waren greifbar,
waren spürbar für mich –
und unwiederbringlich zugleich
Dein Kommen ist so mächtig,
so absolut, so unumkehrbar
Ich spüre meinen Respekt vor Dir
Und wenn Du dann da warst,
einen geliebten Menschen mitgenommen hast,
dann ist sie da, meine Trauer,
dann sind sie da, meine Tränen
Du bringst mich mit mir in Kontakt
Das ist das Gute an Dir
Lässt mich meinen Schmerz fühlen,
meine Endlichkeit,
und doch bist Du nur eine Schwelle,
eine Schwelle der Bahntrasse
auf dem Weg ins Nirgendwo,
eine Schwelle auf dem ewigen Pfad des Seins
Nach Dir beginnt ein anderes Dasein,
eine neue Spiritualität,
eine neue Geistlichkeit,
ein anderes Bewusstsein,
etwas, worauf wir uns genauso freuen können und dürfen,
wie auf neues Leben
Leben und Sterben,
Geben und Nehmen gehören dazu,
sind eins, eins mit uns
Und wir sind eins mit Dir –
Zeit unseres Lebens…

ls

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