Der Kalender "Anstöße 2017"

Mit der Zusendung zweier Belegexemplare des Kalenders von 2016 habe ich so viel Gefallen an dem Projekt gefunden, dass ich mir bereits im Frühjahr dieses Jahres überlegt habe, mit welchen Beiträgen ich dieses mal für 2017 etwas beisteuern könnte. Als erstes habe ich Ilona gefragt, ob sie daran Interesse hat, und als sie das bejahte, habe ich mir Gedanken gemacht. Meine ursprüngliche Idee haben wir wieder verworfen, aber es ist auch für das Jahr 2017 wieder eine schöne Kombination aus Bild und Text herausgekommen, wie ich finde.
In Kürze wird es auch einen Relaunch ihrer Homepage geben, die dann vermutlich wieder unter der Adresse www.anstoesse-online.de zu sehen sein wird. Dort kann man den Kalender auch bestellen.

Die Vorderseite vom Mai 2017

Grafik: Das Kalenderblatt mit meinem Bild vom Waldrand mit Teich und Baumstumpf links und einer Sanduhrsilhouette mit Spruch rechts danebeen.
Die Vorderseite des Blattes Mai 2017 aus dem Anstöße-Kalender

Die Rückseite vom Mai 2017

Grafik: Links mein Gedicht "faszinierend", Mitte und rechts: ein s/w-Foto von mir und eine Selbstbeschreibung.
Die Rückseite des Blattes Mai 2017 aus dem Anstöße-Kalender

 

Wenn Du magst, kannst Du Dir hier das Gedicht "faszinierend" nochmal in größerer Schrift durchlesen.

Und hier gibt es nochmal meine Biografie zum Nachlesen:

 

Etwas sehr Persönliches aus meinem Leben…

Ich bin Lothar Schwalm und werde in diesem Jahr, für das dieser Kalender steht, 49 Jahre alt – oder jung, ganz so, wie ich mich fühle.

Nachdem ich 2016 das erste Mal an Ilona’s Kalender mitwirken durfte, bin ich dieses Jahr zum zweiten Mal mit dabei, und ich freue mich, Dir diesmal ein bisschen was anderes von mir erzählen zu dürfen.

Seit meinem dritten Lebensjahr habe ich ein Tourette-Syndrom, eine Erkrankung, die bei mir mit vereinzelten Blinzeltics begann, und sich im Laufe der Jahre zu einem Orkan steigerte, der sich alle paar Sekunden seine Bahn brach – und das nicht ohne Grund. Mit 22 Jahren fand ich heraus, warum ich Tourette habe, und warum es bei mir so extrem heftig und aggressiv war: Mein Vater hatte mich als dreijähriges Kind und auch in einigen Jahren danach noch mehrfach sexuell missbraucht.

Mit diesem Bewusstsein wurden meine Tics so stark, wie nie zuvor. Erst Medikamente halfen vier Jahre später, einen Großteil meiner Tics zum Verschwinden zu bringen, als ich 26 war. Was nicht verschwand, waren die Wut und die Aggressionen auf meinen Vater. Und trotz der Medikamente habe ich bis heute sehr heftige Tics; nur vielleicht nicht mehr ganz so oft, wie früher. Meine Tics haben meine Wut und meinen Hass seit der Aufdeckung des Missbrauchs mit 22 kultiviert – 26 Jahre lang. Mit ihnen lebe ich diese Gefühle auf stereotype Weise aus. Heute (Juni 2016) bin ich 48 Jahre alt. Und in diesem Jahr ist etwas ganz Wunderbares passiert:

Nach einem langen und sehr persönlichen Gespräch mit meinem Bruder konnte ich meinen Vater und das, was er mir angetan hat, auf einmal auch mit anderen Augen sehen: So schlimm die Übergriffe für mich bis heute sind, sie haben mich und meine Seele auch reifen lassen, mich zu dem gemacht, der ich heute bin:

Ein junggebliebener, kreativer, sensibler Mann mit einem starken Tourette-Syndrom, der stolz auf seine Behinderung ist, denn ich glaube, dass sie mir mit dem jahrelangen heftigen Äußern meiner Aggressionen in Form von stereotypen motorischen und vokalen Tics die Möglichkeit gegeben hat, meinen Missbrauch zu überleben.

Und ich kann in einem bestimmten Kontext heute auch meinen Vater als Opfer sehen: Er hat sich unbewusst meinen jahrelangen Anfeindungen ausgesetzt, darunter gelitten und ist später an Darmkrebs gestorben, weil er all dies nicht „verdauen“ konnte. Er hat getrunken und währenddessen eine ganze Familie verloren. Vielleicht kann man sogar sagen: Er wurde gewissermaßen das Opfer seiner eigenen Taten.

Nach 26 Jahren Wut und Aggressionen konnte ich meinem Vater Anfang 2016 vieles verzeihen und ihm auch wieder Gefühle wie Achtung und Respekt entgegenbringen. Dadurch haben auch meine Tics etwas nachgelassen. Zu diesen Ereignissen sind auch schon wieder einige aktuelle Texte von mir entstanden, denn ich schreibe mittlerweile seit über 30 Jahren regelmäßig. Auf meiner eigenen Homepage www.die-schreibmaus.de veröffentliche all diese Texte und einiges mehr.

Wenn Du Lust hast, mehr über mich und mein Leben mit dem Tourette-Syndrom zu erfahren, dann gehe auf meine Homepage und öffne im Menü den Link „Über mich“. Da erscheint dann ein Untermenü, und ein Punkt davon heißt: „Mein Tourette“. Da steht alles Wissenswerte über mich und meine Behinderung drin.

Wenn es Dich interessiert, wie dieser Gefühlswandel bezüglich meines Vaters Anfang 2016 vonstattenging und was sich seitdem für mich verändert hat, dann kannst Du das gerne auf meiner Seite in der chronologischen Sortierung meiner Texte aus dem Jahre 2016 nachlesen. Öffne dazu einfach den Menüpunkt: „Die Schreibmaus Lothar“.

Ich wünsche Dir viele weitere spannende Eindrücke mit diesem Kalender und – wenn Du möchtest – auch auf meiner Schreibmaus-Homepage!

 

Lothar Schwalm im Juni 2016