Warum mache ich diese Homepage?
Hier einige Gedanken dazu:
Nun, diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Es gibt einen Grund und es gibt viele Gründe, warum ich soviel Arbeit in diese Seite stecke, warum mir meine Homepage so wichtig geworden ist. Ein ganz wesentlicher Punkt liegt sicher darin, dass ich anderen Menschen etwas sagen, etwas mitteilen möchte, dass ich sie berühren, etwas in ihnen anstoßen möchte (weil ich früher erlebt habe, das meine Bemühungen, mich anderen mitzuteilen, lange Zeit erfolglos geblieben sind).
Mit vielen Gefühlen überlebt
Meine Erfahrung, dass ich als kleines Kind, möglicherweise schon als Säugling sexuell missbraucht wurde, hat mich geprägt. Ich habe erlebt, dass Menschen Macht über mich ausüben, ohne dass ich mich wehren konnte. Ich habe erlebt, dass ich um Hilfe gerufen habe, ohne gehört zu werden. Ich habe mich starr und steif gemacht, um nichts mehr spüren zu müssen. All das hat meinen Vater nicht davon abgehalten, mich weiter zu missbrauchen. Ich habe Ohnmacht, Angst, Wut und Verzweiflung erlebt, Schmerzen, Sehnsucht, Hoffnung und auch Lust. All diese Gefühle haben dazu beigetragen, dass ich überleben konnte, bis heute.
Heute weiß ich, dass das Schweigen ein Nährboden für sexuelle Gewalt ist. Ich möchte nicht länger schweigen. Ich möchte anderen Menschen mitteilen, was mir passiert ist. Ich möchte, dass Menschen wissen, dass es sexuellen Missbrauch gibt, und dass ich ihn auch erlebt habe.
Wichtige Erfahrungen
Sexualisierte Gewalt hat mein Leben geprägt; meine Behinderung, das Tourette-Syndrom, das ich entwickelt habe, um später ebenfalls überleben zu können, ebenso. Ohne diese Erfahrungen, ohne diese Behinderung wäre ich nicht der, der ich heute bin. Aber ich habe nicht nur negative und schlimme Erfahrungen gemacht, im Gegenteil: Ohne die vielen positiven Erlebnisse und Begegnungen in meinem Leben wäre ich heute vermutlich nicht so ausgeglichen, so ruhig und in der Lage, einer Arbeit nachzugehen, die mich ernährt, ein Leben zu leben, das mich erfüllt und mir Spaß macht. Einen großen Anteil daran hat meine Mutter, die mir mit ihrer Kraft und Liebe immer zur Seite stand und noch heute steht.
Hilfreich für andere
Auf dieser Seite möchte ich von mir erzählen, von meinem Leben, nicht so sehr, weil ich Zuhörer brauche (für ein Publikum zu schreiben, ist natürlich auch schöner, als für die Schublade zu schreiben), sondern vielmehr, weil ich glaube, dass meine Erfahrungen für andere Menschen hilfreich sein können, dass mein Weg der Heilung zeigt, dass Heilung möglich ist und weil ich letztendlich denke, dass mein Leben einfach bisher sehr spannend und facettenreich war und ich andere Menschen gerne daran teilhaben lassen möchte, um ihnen zu zeigen, wie sehr es sich lohnt, zu leben, für sein Leben Verantwortung zu übernehmen und zu kämpfen. Ich möchte Mut machen und Hoffnung geben mit allem, was ich erlebt habe.
Mein Schreiben hat sich gewandelt
Auf meiner Homepage findest Du zahlreiche Texte, die allesamt seit 1984 entstanden sind. Damals war ich etwa 16 Jahre alt. Mein Schreiben war anfangs oft sarkastisch und von Bitterkeit geprägt. Es hatte für mich therapeutischen, befreienden Charakter. Heute schreibe ich aus Freude und Lust am Schreiben. Auch meine Themen haben sich gewandelt. Vielfach beschäftige ich mich heute mit schönen und sinnlichen Erlebnissen meines Lebens. Von den Berichten und Texten, die sich manchmal auch heute noch mit meiner frühen Vergangenheit auseinandersetzen abgesehen, gibt es viel Humoristisches und Sinnlich-Lustvolles zu entdecken.
Ich kann etwas weitergeben
Heute bin ich stolz darauf, dass ich es mit Hilfe meiner Mutter, meiner übrigen Familie, Freundinnen und Freunden, aber auch zwanzig Jahren therapeutischer Begleitung geschafft habe, mein Leben auf eigene Füße zu stellen. Ich habe soviel Kraft bekommen, dass es mir heute auch große Freude bereitet, anderen Menschen zu helfen und sie auf dem Weg in ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben zu begleiten. Auch deshalb mache ich diese Homepage.
Der Spagat
So offen, ehrlich und freizügig ich auf meiner Homepage mit meinen persönlichen Geschichten, Gedanken, Gefühlen und Bildern bin, so sehr bin ich mir auch des Risikos bewusst, das eine derartige Veröffentlichung im Internet mit sich bringt. Es wird immer Menschen geben, die durch diese offene und persönliche Art der Außendarstellung irritiert sind, die diese Bilder, Fotos und auch Texte zu den Themen „Sexualität" und „Lebenslust" mit diesen Inhalten von Selbstbestimmung und Selbstakzeptanz in dieser Form so nicht sehen oder lesen möchten, beziehungsweise diese Form sehr kritisch betrachten.
Distanz zu meinem Klientel
Hinzu kommt noch ein weiterer wichtiger Aspekt: In meiner beruflichen Rolle als Sozialpädagoge und Sozialarbeiter habe ich natürlich sowohl meinem jeweiligen Arbeitgeber, als auch meinem Klientel gegenüber eine besondere Verantwortung. Daher ist mir eine strikte Trennung zwischen privatem und beruflichem Leben sehr wichtig. So lege ich großen Wert darauf, in meiner Arbeit und bei meinem Klientel die notwendige Distanz zu wahren und diese auch immer wieder neu zu überprüfen. Dabei helfen mir nicht nur Gespräche mit den KollegInnen und auch Supervision, sondern auch meine intensive pädagogische Ausbildung und jahrelange therapeutische Selbsterfahrung.
Auch wenn Jugendliche und Erwachsene heute gleichermaßen über das Internet und seine komplette Kommunikationsperipherie verfügen, so möchte ich deshalb im Umkehrschluss nicht auf eine Veröffentlichung meiner künstlerischen Inhalte verzichten, hinter denen ich voll und ganz stehe.
Ich schade niemandem
Ich kann bei der heutigen Öffentlichkeit und Verfügbarkeit des Internets nicht ausschließen, dass auch KlientInnen oder deren Angehörige auf die Inhalte meiner Seite aufmerksam werden oder aber Kooperations- und Verhandlungspartner meines Arbeitgebers daran Anstoß nehmen. Ich kann aber auch sehr gut darlegen, warum und mit welcher Motivation ich mich auf diese persönliche Weise präsentiere und warum ich glaube, dass diese Darstellungen niemanden in seiner Persönlichkeit angreifen, verletzen oder jemanden beeinträchtigen.
Mit gutem Gewissen
Die intensive Beschäftigung mit dem Thema „Sexualität" in all seiner Vielfältigkeit aufgrund meiner eigenen sexuellen Gewalterfahrungen, aber auch die Darstellung meines behinderten Körpers in Form einer kompletten Bemalung als Farbkleid in der freien Natur (Bodypainting) stellen für mich nicht nur wertvolle Aspekte meiner künstlerischen Ausdruckskraft und Freiheit dar, sondern auch entscheidende Schritte auf dem Weg zu einer umfassenden Heilung. Daher vertrete ich die Inhalte meiner Seite mit gutem Gewissen, auch wenn ich natürlich einen potentiellen Missbrauch der Inhalte durch die Nutzung Dritter nicht ausschließen kann.
Zudem betone ich hier auch noch einmal, dass ich bei allen bildlichen und textlichen Inhalten, die insbesondere bei Missbrauchsopfern schlimme Gefühle und Erinnerungen wecken können, vorher ausdrücklich auf diese Gefahr hinweise. Letztendlich ist jede Besucherin und jeder Besucher meiner Seite aufgefordert, eigenverantwortlich zu handeln und sich gegebenenfalls entsprechend zu schützen oder Hilfe zu suchen.
Lothar Schwalm, Mainz, 23.08.2008