Tics als eigene Zeichensprache

Die allerersten einfachen Gesichtstics tauchten bei mir mit drei und dann wieder mit fünf Jahren als ein nervöses Augenzwinkern auf, danach erst wieder mit sechs und sechseinhalb Jahren, als wir bereits in Afghanistan waren. Heute bringe ich diese ersten kurzen Ticphasen sehr mit den ersten Übergriffen meines Vaters in Zusammenhang, die ebenfalls mit drei und dann wieder mit fünf Jahren stattfanden, wie ich in einigen psycho-kinesiologischen Sitzungen in 2008 herausfand. Sie stellten bereits die ersten frühen Zeichen meiner Zeichensprache dar, mit der ich einerseits auf mich aufmerksam machen wollte, andererseits aber sicher auch "unattraktiv" wirken wollte, um mich so intuitiv vor weiteren Übergriffen zu schützen. Die Entwicklung und Benutzung einer Zeichensprache hatte zusätzlich den Vorteil, dass ich keine Worte brauchte, um zu beschreiben, was mir passierte. Ich hatte diese Worte mit drei und fünf Jahren sowieso noch nicht zur Verfügung. Außerdem konnte ich mich dadurch nicht so schnell verraten und die Taten meines Vaters auch nicht mit verständlichen Begriffen benennen, was möglicherweise gefährlich für mich geworden wäre. Für den Fall, dass mir mein Vater für die damaligen Geschehnisse ein Sprechverbot erteilt hat, um sich sicher zu wähnen, konnte ich dieses so ebenfalls umgehen.

Nicht altersgemäße Empfindungen

Noch heute erinnern zahlreiche kurze und intensive, stoßweise herausgedrückte Laute wie "Ah!", Oh!", "Mh!" und "H-h!" eventuell an die Lust meines Vaters und / oder vielleicht auch an meine eigene Lust, die ich während der Übergriffe erlebt und empfunden habe. Sicher ist, dass ich diese unklaren und nicht altersgemäßen sexuellen Empfindungen als große Ambivalenz und Überforderung erlebt habe.

Frühes Onanieren

Ich kann mich noch heute daran erinnern, dass ich etwa im Alter von vier Jahren begonnen habe, abends vor dem Einschlafen gezielt zu onanieren - und zwar bis zum Orgasmus. Ich habe mein Becken auf dem Bauch liegend hochgestemmt und mit den gespreizten Fingern der rechten Hand meinen kleinen Penis ganz schnell hin und herflitschen lassen, und das so lange, bis mich ein orgiastisches Gefühl durchströmte, eben nur ohne Samenerguss. Das habe ich irgendwann ziemlich regelmäßig gemacht. Und ich fand es total schön und entspannend.

Form von sexueller Selbstbestimmung

Heute denke ich, dass möglicherweise die während des Missbrauchs entstandenen ambivalenten Gefühle durch das Onanieren entweder verstärkt, oder aber verarbeitet und besser in mein Leben integriert werden konnten. Vielleicht stand das Onanieren als positive Erfahrung sogar schon sehr früh in meinem Leben für eine Form von sexueller Selbstbestimmung und selbstgesteuerter Lust - im Gegensatz zu den eigenen Lustgefühlen, die mir mein Vater während der Übergriffe aufgezwungen hat oder den Gefühlen, die er selbst empfunden und geäußert hat.

Zeit ohne Übergriffe

Ich habe mich oft gefragt, warum zwischen den Übergriffen mit drei und fünf Jahren und denen mit zehn Jahren so ein langer Abstand lag, also eine Zeit, in der vermutlich keine Übergriffe stattfanden. Nun, wie ich heute weiß, war mein Vater vermutlich nicht pädophil, das heißt, er stand nicht generell auf Sex mit (kleinen) Kindern. Ich gehe heute davon aus, dass ihm der Sex mit meiner Mutter nicht ausgereicht hat, und dass er deswegen auf mich zugegangen ist. Vielleicht haben die nach den ersten Übergriffen mit drei und fünf Jahren auftretenden Blinzeltics meinen Vater insofern irritiert oder zumindest unbewusst verunsichert, dass er während unseres Aufenthaltes in Afghanistan (ich war zwischen 6 und 10 Jahren dort) die Finger von mir gelassen hat. Vielleicht spielten aber das völlig andere, aufregende neue Leben in Afghanistan und die Tatsache, dass er dort auf etliche weitere attraktive Frauen (in den anderen deutschen Familien) traf, eine wichtige Rolle. Denkbar ist auch, dass meine Mutter zurzeit dieser Aufbruchsstimmung wieder mehr Lust auf ihn hatte und seine Bedürfnisse insgesamt mehr befriedigt werden konnten, als vorher.

Zeit ohne Mutter

Nach vier langen Jahren ohne Übergriffe gab es dann nach der Rückkehr nach Deutschland noch einmal sexuelle Gewalt. Mein Vater war vorgeflogen, weil er zu Beginn des Schulhalbjahres wieder in Deutschland sein musste. Mein Bruder und ich kamen im Sommer nach, weil wir das neue Schuljahr im Herbst antreten wollten. In dieser Zeit war meine Mutter noch in Afghanistan, um einige Dinge zu regeln und abzuschließen. Ob nur noch während dieser Zeit Missbrauch stattfand, bis meine Mutter ein halbes Jahr später wieder bei uns war, oder ob mein Vater auch anschließende Urlaube ohne meine Mutter an der Ostsee für Übergriffe mit mir nutzte, kann ich nicht sagen. Jedenfalls weiß ich heute, dass ich mit etwa zehn Jahren auch noch mal sexuelle Gewalt durch meinen Vater erlebt habe und ich kann mich auch daran erinnern, dass meine Tics insbesondere nach dem Schulbeginn in Deutschland im September 1978 wieder zunahmen.