Textkunst von Uschimaus
02. Dezember
Liebster Lothar!
Jetzt, wo das Geheimnis endlich gelüftet ist, verstehst Du meine Reaktion auf Deinen Anruf von letzter Woche sicher besser (und heute auch, warum Du nicht gestern anrufen sondern erst diese Zeilen lesen solltest)...
Leider hatte ich die Idee mit dem Adventskalender erst am 13. November, fand sie aber so schön, daß ich es trotz der knappen Zeit noch gewagt habe. Außer der Zeit zum Schreiben war auch die Zeit zum Einkaufen knapp, weshalb es erstens solch ein spießiges Pastell-Papier und zweitens leider - ich sage es gleich - doch keine Schokolade mehr geworden ist...
Im weiteren Verlauf des Adventskalenders wirst Du mehr über den kleinen und den großen Lothar, die Uschi-Maus, die Feen, Zwerge und die übrige Wiesen-grund-Bevölkerung und auch was über Wunschzettel lesen, aber den Wunschzettel von der Uschi-Maus wirst Du vergeblich suchen. Anstatt des Wunschzettels muß nämlich heute dieser Brief in die Sammlung eingereiht werden.
Als Du angerufen hast, waren die Geschichten fertig bis auf eine, aus der ich zwei Teile machen werde. Wie Du an meiner Formulierung bemerkst, ist die auch jetzt - es ist gerade Sonntag, 29.11.99, 2 Uhr 15 früh! - noch nicht geschrieben. Ich schreibe deshalb nachts, weil ab nachmittag die Leute vom Spieleabend zu mir kommen und ich dann keine Zeit mehr habe. Heute (jetzt gestern!) war ich mit meiner Freundin Anita unterwegs und hatte auch keine Zeit zum Schreiben. Zum Zeitpunkt Deines Anrufs war ich also schon recht weit gediehen mit dem Adventskalender aber noch längst nicht fertig.
Es hat mir großen Spaß gemacht, mir alle diese Dinge auszudenken, das wirst Du ohne weiteres beim Lesen bemerken! In meinen Geschichten komme ich Dir nahe, kann zuhören und zuschauen, wie das zwischen dem kleinen Lothar und dem großen Lothar läuft. Indem ich mir das so bildlich vorstelle, kann ich Dich und Deine besondere Situation, glaub ich, besser verstehen. Eigentlich merkwürdig, wo ich mir doch alles selbst ausgedacht habe. Aber ich nehme ja auch das in meine Geschichten auf, was Du mir erzählt hast, wie es Dir geht. Gleichzeitig haben die Geschichten immer einen leicht ironischen Unterton, damit ich auch über die schwierigen oder traurigen Dinge noch lachen kann. Diese Strategie hat ja vor allem Dein Namensvetter aus Trebel bei mir festgestellt.
Ja, und während ich Dir von Geschichte zu Geschichte wieder näher gerückt bin (obwohl Du so weit weg bist) warst Du mit Dir selbst beschäftigt und in Gedanken bei einer anderen Frau... In diesem Zusammenhang wäre es von Vorteil, daß ich zum Glück normalerweise keine Gedanken lesen kann. Aber wenn dann einer so dumm ist wie Du, die fraglichen Gedanken telefonisch mitzuteilen, ja dann geht die Sache leider gründlich in die Hose!
Bei mir ist es so angekommen, daß Du es mir erzählst, um ehrlich zu sein, das heißt nichts anderes, als Dein Gewissen zu erleichtern. Hast Du mal darüber nachgedacht, dass es mir wehtun könnte? Wie in solchen Fragen üblich, macht jeder Versuch einer Rechtfertigung die Angelegenheit nur schlimmer. Als Du sagtest, Du habest starke Gefühle verspürt, konnte ich das nur so verstehen, daß Du Deinem Herzen Luft machen wolltest. Es ist unfair, daß Du das auf meine Kosten machst. Erzähl es doch einfach Evelyn oder Petra!
Außerdem sehen wir uns doch sowieso bald. Warum mußtest Du mir dann so etwas am Telefon erzählen?! Und schließlich werden Deine Gefühle dieser Frau gegenüber am wenigsten davon abhängen was ich darüber für eine Meinung habe. Viel entscheidender ist, was sie davon hält...
Vielleicht fragst Du Dich jetzt, warum ich Dir das alles nochmal vorhalte, nachdem wir schon am Telefon darüber geredet haben. Und normalerweise bin ich nicht nachtragend, wenn ich was einmal „bemeckert“ habe, dann langt’s auch wieder. Aber jetzt bemerke ich, daß ich immer noch gekränkt bin, nicht einmal so sehr wegen der anderen Frau, sondern noch mehr, weil Du es mir erzählt hast. Für das Verlieben kannst Du ja nichts, aber was Du daraus machst...
Ich habe nach Deinem Anruf wirklich geschwankt, ob ich den Adventskalender aufgeben und vergessen soll. Meiner üblichen positiven Haltung folgend habe ich trotzdem weitergemacht, zumal die Sache selbst wirklich nicht schlimm ist. Meine Gefühle in einem Brief niederzuschreiben war allerdings Bedingung, daß ich mein „Werk“ fortsetzen konnte.
Ich wünsche Dir beim Lesen genau so viel Spaß, wie ich beim Schreiben hatte!