Meine Texte zum Nachlesen:
Verrückte Welt oder: Erwartungen
Sitze am zuen Fenster. Draußen regnet es nicht in dicken Strömen. Macht nichts.
Das Fenster ist ja eh zu. Der Kater springt mir vom Kopf und sucht seinen Napf.
Nichts drin. Macht nichts. Ich hab eh nichts mehr. Springt auf den Tisch und
spielt mit meinem Wollpullover. Sowas! Macht man doch nicht! Egal. Sollte
sowieso aufgeribbelt werden – hat Marion gesagt. Als ob der Kater das gehört hätte.
Gerade hat es nicht aufgehört zu regnen, weil es ja gar nicht geregnet hat.
Verrückte Welt.
Mittlerweile bin ich auch
nicht aufgestanden und habe mir auch keine neue Banane geholt. Ob Kater Bananen
fressen? Mal fragen. "Kater, magst Du..." – Er kann ja gar nicht
antworten. Seine Stimmbänder sind schon lange durch. Armes Tier. Armes Fenster.
Wird gar nicht gewaschen heute. Wo bleibt der Regen? Mal fragen – irgendwann –
wird er schon fallen. Und Marion fällt dann auch wieder – auf die nassen
Verbundsteinplatten. Arme Marion, obwohl, sie verdient ganz gut, halb gut geht
ja nicht. Sie verkauft Bananen im Fenstergroßhandel. Verrückte Welt.
Egal. Marion ist auch verrückt.
Ob das der Kater weiß? Fragen ist nicht. Er schlürft nämlich gerade Milch aus
einem Becher. Meinem Becher! Empörung! Jetzt kann ich die Banane
nicht mehr in die Milch tauchen. Egal. Sie wär’ sowieso nass geworden. Außerdem
kann sie nicht schwimmen – ohne Taucherbrille – wie ich. Oder haben Sie schon mal Taucherbrillen für Bananen
gesehen? Eben, Marion auch nicht. Kann sie auch nicht. Sie ist nämlich blind. Dafür
hat der Kater keine Stimmbänder mehr. Darum knallt Marion auch jedes Mal bei
Regen auf die Verbundsteinplatten. Der Kater nicht. Weil der nur bei
Sonnenschein rausgeht. Aber Marion schreit, wenn sie fällt. Der Kater nicht,
weil, er kann ja nicht, außerdem fällt er nicht. Aber ich, ich falle – gleich
vom Sessel: Es fängt an zu
rebellieren – das Tier, mein ich. Sturer Pullover. Obwohl Marion nicht sieht,
wie viele Bananen sie verkauft, stimmt die Abrechnung – fast immer, ehrlich!
Verrückte Welt.
Naja, wer im Fenstergroßhandel
arbeitet, weiß eben, dass man auf dieser Welt blinde Bananenverkäuferinnen
nicht bescheißen darf. Tut der Kater ja schließlich auch nicht. Wär’ ja auch ungerecht: Der Kater bescheißt und Marion
merkt's nicht. – Der Pulli ergibt sich inzwischen in seine zwei Schicksale: das
Vorderteil und das Rückenteil. Arme hatte der Arme. Aber lang ist's noch nicht
her. Marion war mal wieder am Fallen und wollte sich am linken Ärmel festhalten:
Gerissen. Dann am rechten: Gerissen. Wirklich gerissen – dieser Pullover. Tja, wer schon nicht stricken kann,
sollte lieber keine Bananen verkaufen. Von nichts kommt eben nichts. Aber ich
hab's ja auch 72mal nicht gesagt. Warum auch? Der Kater kann nicht sprechen.
Aber gehen. Vielleicht sieht er ja irgendwann mal ein, dass das so nicht
weitergeht – mit ihm und Marion. Ich bin ja schließlich auch noch im
Bananengeschäft, weil, immer wenn Marion nach Norden kommt, weil, ich wohne
nicht im Osten, dann sage ich, weil, hören kann sie noch, dann sage ich zu ihr:
"Na, hast Du's mal wieder nicht Geschäft? – den Bananenkorb mitzuverkaufen?"
Tjaja, so ist das Sterben. Sie wird sterben, ohne einen einzigen Bananenkorb
verkauft zu haben. Keiner will Bananenkörbe. Verrückte Welt.
Selbst der Kater will keinen.
Kann ich verstehen. Ohne Milch. Wenn wenigstens Milch drin wär’, würde er
vielleicht einen nehmen – Marion zuliebe. Obwohl, lieben tut er sie nicht.
Nein, eher hassen. Weil, Marion kann sprechen, er aber nicht. Dieser Neid. Unglaublich.
Unglaublich, es regnet noch immer wie in Afrika, nämlich gar nicht. Die
Afrikaner können da auch nichts für. Wär' auch unsinnig, Regen in Afrika. Die
haben ja nicht mal Fenster. Verrückte Welt.
In Afrika können Fenster gar
nicht sauber werden, weil es nie regnet, weil es da oben keine Fenster gibt.
Ist doch logisch, oder nicht? Also, in Afrika regnet's nie, weil es keine
Fenster gibt, und deswegen gibt's da auch keine Fenster. Doch, klingt
einleuchtend. Marion wär' das egal, sie würde soundso nichts sehen – in Afrika,
sie ist nämlich blind. Dafür ist der Kater stumm. Gerechtigkeit muss halt sein.
Genau, wo bleibt eigentlich der verdammte Regen? In Afrika kann er jedenfalls
nicht sein. Egal. Wir haben eh nur zue Fenster Dem Tier ist das egal, es trinkt
ja nur Milch. Bananenmilch. Wenn Marion viele Bananen verkauft hat und wir uns das
leisten können. – Apropos: Meine Leisten leisten wieder zuviel beim Sitzen. Ich
müsste eigentlich mal wieder aufstehen. Ich sitze schließlich schon seit Montag
hier. Heute ist Weihnachten. Der Kater freut sich nicht, weil, er kriegt keine
Bananenmilch. Schade, schade, aber Marion hatte ein schlechtes Jahr. Die
Bananen gingen weg wie Freibier in Freiburg. Der Bananenkorb hatte dieses Jahr
nämlich 'n Loch. Da ist dann immer das ganze Geld rausgelaufen, das sie zum
Wechseln mitgenommen hat. Da konnte sie die Bananen nur noch verschenken. An
die Glasbläser. Die haben sich vielleicht
nicht gefreut! Vielleicht aber doch. Wer weiß? Der Kater bestimmt nicht. Und
die Bananen auch nicht. Die haben die Glasbläser nämlich mit eingeblasen. Die
Scheiben sahen alle gelb aus. Verrückte Welt.
Die gelben Fenster kommen
jetzt nach Afrika – Ausschussware. Da sieht man die Fenster im Sand nicht,
weil, beide sind ja gelb. Aber immerhin hat Afrika jetzt auch Fenster,
wenngleich gelbe. Aber dafür regnet's jetzt in Afrika. Was werden die sich nicht freuen! Weil, 'ne
Ewigkeit kein' Regen und dann gelbe Fenster. Da kann ja auch der Regen nicht
weit sein. Das muss ja aufs Gemüt schlagen.
Arme Neger. Immer auf'n Kopf. Das muss
ja wehtun. Und dann brüllen sie. Haben die's gut. Marion kann nicht brüllen.
Aber die wohnt ja auch nicht in Afrika. Ein Glück für die Neger. Pech für mich.
Apropos Pech: Der Kater ist pechschwarz, besonders an Freitagen, den 12. Dabei
trinkt er doch soviel Milch. Aber heller wird er nicht. Verrückte Welt.
Obwohl, ich esse ja auch
dauernd Bananen und werde nicht gelb im Gesicht. Dafür grün. Weil, der Kater
hat sie vorher angemalt. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich zuviel
esse, dass mir schlecht wird. Egal. Es regnet heute eh nicht mehr. Solange der Kater
nicht gleichzeitig Milch trinkt und den Pullover zerfetzt, soll Marion das
nicht stören. Sie kann es soundso nicht gleichzeitig beobachten. Weil, wenn der
Kater gleichzeitig Milch trinkt und diese lila Anordnung von Wolle zerstört,
regnet's meistens – meistens draußen. Und dann geht Marion raus zu den Glashändlern,
Bananen verkaufen. Und dann fällt sie wieder auf den nassen Verbundsteinplatten
hin und bricht sich den Arsch. Und während sie mal wieder auf den Hintern
knallt, kann sie ja nicht den Kater sehen. Deshalb. Aber das braucht sie auch
nicht. Ich tu's ja für sie.
Der Kater kann's allerdings
auch nicht, weil der ja mit sich selber genug zu tun hat. Die Neger dagegen
nicht. Die brauchen Beschäftigung, und die kriegen sie ja jetzt auch nicht. Die
Fenster sind nämlich schon lange eingebaut – in den Sand. Da sieht man sie
wenigstens nicht. Und Marion auch nicht, die ist ja nicht taub. Der Kater auch
nicht. Das macht aber nichts, solange ich am Fenster sitzen kann. Obwohl, eigentlich
müsste ich bald mal wieder aufstehen. Meine Leisten können sich das nicht mehr
lange leisten. An Weihnachten schon gar nicht. Genauso wenig, wie sich der
Kater heute Bananenmilch leisten kann. Marion ist das egal. Ihre Leisten sind
noch gut, obwohl sie immer auf'n Arsch knallt. Der Kater kriegt jedes Mal 'n
Schreck und verschluckt sich am Pullover, weil es draußen regnet. Sonst wäre
Marion ja nicht hingesegelt. – Heute ist kein Krieg, dafür Weihnachten. Schade,
Marion kann die Noten nicht lesen, der Kater kann nicht mitsingen, und ich kann
nichts hören. Hab ich noch gar nicht erwähnt, oder? Ich bin taub. Und ausgerechnet
an Weihnachten. Verrückte Welt.
ls