Meine Texte zum Nachhören und Nachlesen
Ohne seinen Vater
Ohne seinen Vater
Ein kleiner Junge steht im Wald
und hofft, sein Vater käme bald.
Doch der Vater ist weit weg,
alles Rufen hat keinen Zweck.
Der kleine Junge schreit und weint,
doch seine Tränen bleiben unbeachtet,
die Rufe ungehört.
Er fühlt sich allein.
Und er bleibt allein.
Gerne hätte er seinem Papa viele Dinge erzählt,
von den Guten und von den Schlechten,
doch der Vater ist nicht da.
Er kann nicht zuhören und nicht zusehen.
So erfindet der kleine Junge seine eigene Sprache,
eine Zeichensprache:
Er gebärdet sich auf seine Weise.
Doch auch die Tiere des Waldes verstehen ihn nicht recht.
So gebärdet er sich immer wilder und wogender,
immer lebendiger in der Hoffnung,
dass ihn doch noch jemand verstehen möge.
Doch er bleibt allein und unverstanden.
Sein Vater kommt nicht mehr näher,
im Gegenteil:
Er entfernt sich immer weiter von ihm.
Der kleine Junge hat keine Chance,
ihn jemals wieder zu sehen.
Er hat den Vater verloren – für immer –
schon früh – konnte er ihn nicht mehr erreichen.
Seine Augen – so traurig – so klein,
so verweint, so einsam. Soo Hilfe suchend!
Die Tiere geben ihm Halt, nehmen ihn auf,
doch auch sie können ihm nicht wirklich helfen.
So wächst der Junge auf und wird langsam größer –
nicht erwachsen, aber größer.
Er kann sich ernähren und überlebt,
aber er bleibt ein trauriges Kind,
voller Hoffnung, aber einsam,
irgendwann vergisst er sogar seine Sprache und wird stumm –
stumme Schreie, die aus seinen Augen klingen,
stumme Worte, die seine Hände gebärden.
Er weiß nicht mehr, wohin mit sich.
Alle Zukunft scheint unerreichbar.
Wo beginnt sie? Im Hier und Jetzt?
Oder erst morgen? Morgen ist unendlich weit weg.
Viel zu weit für den kleinen Jungen –
einfach unerreichbar!
Doch der Junge gibt nicht auf!
Er trauert um seinen Vater
und verabschiedet sich von ihm. Für immer!
Dann denkt er lange nach und kommt zu dem Schluss,
dass er ein schlaues Kerlchen sein muss.
Denn erstens hat er bis heute überlebt,
und zweitens hat er eine eigene Sprache erfunden,
sich seine eigene Welt geschaffen.
Und so beschließt er, die Sprache der Tiere zu lernen,
um sich mit ihnen besser verständigen zu können.
Und als das nach langer Zeit gelingt,
beginnt der große Junge, erwachsen zu werden.
Und jetzt, wo ihn die Tiere des Waldes verstehen können,
können sie ihm all das geben, was er so vermisst hat.
Und der Junge blüht auf, wächst und gedeiht weiter.
Er hat sich auf seine Stärken besonnen
und sein Leben aus eigener Kraft verändert.
Und so lebt er von nun an glücklich und zufrieden
mit den Tieren inmitten des Waldes,
seinem Zuhause, auch ohne seinen Vater.
ls