Textkunst von Jürgen

Lehre

Lehre

Nach acht Jahren Volksschule kam ich 1960 in einen Kleinbetrieb als Elektriker in die Lehre. Dort trank ich viel mit den Gesellen, die mich als besonders trinkfest bewunderten, was mir natürlich außerordentlich gut tat.
Mir ging es anfänglich sehr gut, als Einzelgänger habe ich mich immer sehr gerne mit Bastelarbeiten beschäftigt und das kam mir nun zustatten.
Ich genoss das Lob meiner Ausbilder – noch nie in meinem Leben bin ich so gelobt worden.
In der Berufsfachschule kamen jedoch bald alle meine Ängste von neuem wieder hoch und da ich beim lernen als Kind nie richtig gefördert und gefordert worden war, wurde es in der Berufsfachschule schnell sehr eng. Auch blockierten mich meine Ängste sehr und ich trank wieder vermehrt.
Als ich einmal nach einem fürchterlichen Alkoholischem Exzess nicht bei meiner Lehrstelle erschien, kam mein Chef zu mir nach Hause, sagte: "Ich möchte jetzt endlich wissen, was mit dir los ist, zieh dich an und wir gehen zu meinem Hausarzt." Was sollte ich machen, ich musste mit - trotz fürchterlichen Entzugserscheinungen. Der Arzt stellte anhand eines EKG's Herzrhythmusstörungen fest, vom meinem Saufen bemerkte er nichts und ich hütete mich, ihm zu erzählen, dass ich lediglich Entzugserscheinungen hatte. Die Diagnose des Arztes nahm ich zum Anlass, meine Lehre nach vier Monaten Lehrzeit abzubrechen Das machte keine Schwierigkeiten, ein Elektriker so jung und schon mit schwachem Herzen, das geht ja nicht, jeder verstand das.
Meine Eltern waren auf einmal sehr besorgt um mich, sie erfüllten mir sogar meinen sehnlichsten Wunsch, ein Paddelboot. Nun brauchte ich auf einmal fast nichts mehr trinken, die furchtbare Existenzangst war für den Moment weg, ich fühlte mich gut.
Nach einem 4 Monaten Paddeln und Schwimmen fand mein Stiefvater, dass ich ihm nun lange genug auf der Tasche gelegen habe, ich sollet mir nun endlich wieder Arbeit suchen. Damit hatte ich es gar nicht so eilig, doch plötzlich war die Angst vor neuem wieder da und ich trank wieder mehr.

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